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Antikriegstag 04.09. 2016 Lüdenscheid

Matthias Wagner

Rückblick - Ausblick - Friedensauftrag

In diesem Jahr kamen rund 30 russlanddeutsche Motorradfahrer mit ihrem Priester zum Gedenken an das Kriegsende am 8./ 9. Mai 1945 hierhin, um der russischen Toten zu gedenken. Als die Gedenkfeier in der Presse angekündigt wurde, gab es Kritik und eine wichtige Nachricht. Frau Hesse aus der gleichnamigen Pension unter der Autobahnbrücke sagte am Telefon und wenige Tage später bei einem langen Gespräch im Café Wessling: "Ich war am Ende des Krieges 9 Jahre alt. Wir hatten eine junge Polin als Fremdarbeiterin für die Landwirtschaft und Pension. Kurz vor Kriegsende kam sie tränenüberströmt an und erzählte meiner Mutter, neben der ich stand: Auf Hühnersiepen werden deutsche Frauen und Kinder von Deutschen erschossen." Frau Hesse sagte dann noch: "In Hühnersiepen liegen viele Deutsche und der Name Russenfriedhof ist falsch." Frau Hesses Aussagen können wir heute als richtig beweisen. Aber es bleibt noch die große Herausforderung zu erfahren, wer die Opfer waren. Hühnersiepen war in den letzten 6 Wochen des Krieges der Exekutionsort von ca. 300 Opfern der Gestapo Köln. Wahrscheinlich wurden hier mehr Menschen hingerichtet als im Dortmunder Rombergpark von der dortigen Gestapo und sicher mehr als am Wenzelnberg zwischen Langenfeld und Solingen von der Düsseldorfer Gestapo und SS. Die Kriegsgedenkstätte Hühnersiepen ist vermutlich der größte Todesort von Kriegsendverbrechen in NRW.

Der Platz war erst im Winter 1944/45 vom Amt Lüdenscheid erworben worden. Der Zweck des Aufkaufs ist unbekannt. Ende Dezember 1944 fand auf der Großbaustelle Versetalsperre ein NSDAP-Kreisleitertreffen von Süd-Westfalen statt, über dessen Inhalt nicht bekannt ist.

Dokumente im Bundesarchiv Koblenz, im Landesarchiv Duisburg und im britischen Kriegsarchiv Kev belegen, dass beim Herannahen der Alliierten die deutsche Gestapo von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg ihre Gefangenen über Aachen nach Köln brachte. Gleichzeitig wurden die meist russischen Zivilgefangenen des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel von der Gestapo Dortmund im Herbst 1944 ins Lager Sanssouci (Hönnetal) gebracht, um dort Höhlen für die Aufstellung von Maschinen zur Rüstungsproduktion zu bauen. Denn in der Region Lüdenscheid wurden Milliarden von Geschossen hergestellt, die für den Krieg notwendig waren. - Von den Lagern in Köln-Müngersdorf (Zwangsarbeiter-lager + Judenlager), Brauweiler, Klingelpütz und Siegburg aus wurden größere Gruppen von Gefangenen durch das Bergische Land über Wipperfürth nach Hunswinkel getrieben. Manche schafften das nicht und starben am Wegesrand. Zu den Deportierten zählte auch eine Gruppe von 20-30 Russen aus dem Gefängnis Siegburg. Sicher waren weitere russische Zwangsarbeiter dabei, deren Zahl unbekannt ist.

Das Lager Hunswinkel, das im Januar 1945 leer war, zählte im März 1945 über 600 Häftlinge. Eine späte Deportationsgruppe aus dem Rheinland wurde deshalb wegen Überfüllung abgewiesen und zum Weitermarsch nach Wuppertal aufgefordert, was auch geschah. - Eine Überlebende der Deportationszüge berichtete, dass unter ihnen zahlreiche jüdische Häftlinge gewesen seien. Zwei Gräber von Juden aus dem Großraum Bonn gehören zum Friedhof. In den Dokumenten zu der jüdischen Frau Bertha Schlaus steht die Aussage der Tochter, dass die Tote nach Theresienstadt deportiert worden sei. Diese Angabe, die auch in Yad Vashem vorlag, konnte dank unserer Forschung von den Ge-Denk-Zellen korrigiert werden. Aber das bedeutet wenig im Angesicht des hundertfachen Todes. Es bleibt die Vermutung, dass ein großer Teil der ca. 300 Toten des Friedhofs Hühnersiepen jüdische Bürger aus Westeuropa und russische Zivilarbeiter waren, deren Identität wir noch herausfinden müssen.

Und warum erinnern wir uns und investieren Zeit in die Erforschung? Die Erforschung des Lebens der Menschen in Lüdenscheid während der NS-Zeit ist für mich der Versuch herauszufinden, warum Menschen andere töten. Es ist für mich ein kleiner Beitrag zur Menschenwürde und zum Frieden, dass wir uns an die Toten von Krieg und Gewalt erinnern, um heute dem überzogenen Nationalegoismus, der Europafeindlichkeit, dem Waffenexport und den Kriegsgefahren entgegenzutreten.

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