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Ansprache von Dieter Saal zum Hunswinkel-Gedenken 21.06.1997-21.06.2008

Es gilt das gesprochene Wort.

Im Namen der Friedensgruppe Lüdenscheid begrüße ich Sie und euch sehr herzlich am „Mahnmal Hunswinkel“ zu unserem alljährlichen Gedenken an die Opfer des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel. Ich danke Ihnen und euch sowie den lokalen Medien für ihr und euer Kommen.

Von Rüdiger Drallmeyer, unserem Friedensfreund und Liedermacher, stammt der Text und die Melodie der „Ballade von den schrecklichen Geschehnissen im Lager Hunswinkel bei Lüdenscheid.“ Diese Ballade wird uns Rüdiger Drallmeyer, der seinen Gesang auf der Gitarre begleitet, vortragen.

Wir haben uns am „Mahnmal Hunswinkel“ versammelt, geschaffen von dem Lüdenscheider bildenden Künstler und Friedensfreund Heinz Richter. Es wurde am 21. Juni 1997 von der Stadt Lüdenscheid eingeweiht. Heinz Richter kann aus Gesundheitsgründen leider nicht an unserer heutigen Veranstaltung teilnehmen. Im Tal der Verse, heute gefüllt mit dem lebensnotwendigen Trinkwasser der Versetalsperre, mussten zwischen 1940 und 1945 im damaligen Arbeitserziehungslager Hunswinkel viele tausend Zwangsarbeiter Schwerstarbeit beim Talsperrenbau verrichten. Sie kamen aus der Sowjetunion, Deutschland, Polen, Belgien, Frankreich, Italien, Jugoslawien und den Niederlanden. Von ihnen wurden mindestens 550 durch Hunger, Schwerstarbeit, Prügel und Erschießen getötet.

Zur Einweihung des „Mahnmals Hunswinkel“ schrieb 1997 die Lüdenscheiderin Dr. Gisela Rosendahl in Erinnerung an die beim Bau der Versetalsperre umgekommenen Zwangsarbeiter das Gedicht „In Memoriam“:

„Auf dem Grunde der Wasserfluten
ruht ein Geheimnis; stumm.
Dort mussten Menschen verbluten.
Warum..., oh Gott? – Warum?

Zur Fron aus der Heimat vertrieben,
fanden hier sie ihr Grab.
Nichts ist von ihnen geblieben.
Des grausamen Schicksals Stab
Ließ sie den Henker verfallen
In Not und Qual und Leid.
Ihr Tod gibt Kunde uns allen
Von Krieg und Schreckenszeit.

Das Wasser, es spendet uns Leben;
Es spiegelt des Himmels Licht.
Sie haben es einst uns gegeben.
Vergeßt diese Toten nicht!“

Nein, wir vergessen die Toten nicht.
Wir vergessen nicht die unsagbaren Verbrechen, die an diesen schuldlosen Menschen begangen wurden. Nein, wir vergessen nicht die körperlichen und seelischen Grausamkeiten, die Schmerzensschreie der Gequälten, die Tränen und das Sterben. Deshalb stehen wir heute hier, wo wir uns regelmäßig seit 12 Jahren treffen und setzen mit unserem Gedenken ein Zeichen gegen das Vergessen, gegen Krieg und Terror, für Freiheit, Frieden und Humanität. Von den Toten des AEL Hunswinkel sind lediglich 117 als amtlich beurkundete Sterbefälle bekannt, von denen 88 auf der Ehrenstätte Hühnersiepen und 29 auf dem Friedhof Loh ruhen. Die meisten der 117 Toten, nämlich 93, waren Russen. Der Tod von mindestens 430 Zwangsarbeitern wurde von der Lagerleitung nicht an das zuständige Standesamt der Gemeinde Lüdenscheid-Land gemeldet. Die Toten wurden einfach „entsorgt“, wie Abfall weggeworfen und verscharrt. Wir kennen deshalb von den Meisten ihre Namen nicht. Auch deren Angehörige sind ihre Schicksale nicht bekannt geworden.

Exemplarisch für den Alltag der Häftlinge des AEL Hunswinkel folgt hier ein Bericht des Hagener Arbeiters Rudolf Wüsten, der am 11. November 1941 von der Gestapo in das Lager Hunswinkel eingeliefert wurde: „Ich hatte gerade mit einigen Mithäftlingen eine Lore Felsbrocken an die Sperrmauer geschoben und diese in das Fundament der Sperrmauer entleert, als einer meiner Mithäftlinge ausglitt und in das Fundament der Sperrmauer stürzte, wo er gleichzeitig von einem tonnenschweren Eisenklotz getroffen wurde, so dass nur noch ein großer blutiger Fleck im Fundament zu sehen war. Trotz dieses Vorfalls wurden die Arbeiten zügig fortgesetzt.“

Die Schicksale der Zwangsarbeiter in Lüdenscheid während der Jahre von 1939 bis 1945 wurden von Matthias Wagner in seinem 1997 vom Heimatverein Lüdenscheid herausgegebenen Buch „Arbeit macht frei“- Zwangsarbeit in Lüdenscheid 1939-1945 nach wissenschaftlicher Forschungsarbeit eindrücklich dokumentiert. Die Stadt Lüdenscheid war an der Herausgabe des Zwangsarbeiterbuches leider nicht interessiert!

Nach neuesten Forschungen war auch ein Lüdenscheider als Häftling im AEL Hunswinkel: Emil Bätz. Er wurde am 12. Juli 1937 wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm zu 2 Jahren und 9 Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus am 22. März 1939 wurde er am 16. April 1940 auf Anordnung der Gestapo in das Zwangsarbeiterlager Hunswinkel eingeliefert. Von dort ist er am 1. Oktober 1940 von der Firma Hoch-Tief A.G. übernommen worden. Im April dieses Jahres führte ich ein Gespräch mit einer 1931 in Lüdenscheid geborenen und seitdem ununterbrochen in Lüdenscheid lebenden Bürgerin. Sie konnte sich an einen Vorfall erinnern, der sich 1943, während ihrer Sommerferien, sie war damals eine 12-jährige Schülerin, zugetragen hat. Mit ihrer Mutter und anderen Frauen war sie damals unterwegs zum Beeren sammeln. Sie befanden sich auf der Klamer Brücke und sahen in unmittelbarer Nähe unterhalb der Brücke ca. 20 männliche Jugendliche in Begleitung eines mit einem Knüppel bewaffneten Erwachsenen. Einer dieser Jugendlichen bückte sich plötzlich, riss schnell einen Büschel Gras aus dem Boden und begann diesen hastig und gierig zu essen. Daraufhin wurde er von dem Erwachsenen mit dem Knüppel fürchterlich zusammengeschlagen. Sie wusste damals nicht, dass es sich um Zwangsarbeiter aus dem AEL Hunswinkel gehandelt hatte.

Der Tod und das Leiden der Insassen des AEL Hunswinkel ist für uns Mahnung und zugleich Verpflichtung. Wir wie auch die uns nachfolgenden Generationen dürfen die Verbrechen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates niemals vergessen. Wir sind und bleiben deshalb aufgefordert, unser Wissen für alle, die jetzt und zukünftig in unserer Stadt leben, umfassend, objektiv, verständlich und somit nachvollziehbar zu dokumentieren, zugänglich zu machen und damit weiterzugeben. Zu dokumentieren ist ebenfalls, wie es zum Nationalsozialismus gekommen ist und welche Folgen er nach Ende des 2. Weltkrieges hatte. Hier wurden nunmehr endlich erste Schritte gemacht durch den am 5. Mai 2008 von dem Initiativkreis Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus in den Rat der Stadt eingebrachten Antrag, in den ehemaligen Arrestzellen der Polizei des Alten Rathauses eine Dauerausstellung über die NS-Zeit in der Stadt Lüdenscheid zu realisieren. Hierzu fasste der Rat am 5. Mai 2008 einstimmig folgenden Beschluss:

„Die Ratsfraktionen stellen den Antrag, die Museumsausstellung über die Jahre 1933 bis 1945 neu zu konzipieren. Darüber hinaus sollen Historiker, u.a. Herr Dr. Dietmar Simon, Herr Dr. Eckhard Trox und Herr Matthias Wagner gebeten werden, den Sachverhalt zur historischen Bewertung der Arrestzellen nach wissenschaftlichen Methoden zu prüfen, um die Grundlagen für eine einvernehmliche Bewertung zu gewinnen. Die weitere Vorgehensweise wird im Fachausschuss diskutiert und konkretisiert.“

Matthias Wagner gehört dieser Historikergruppe als Vertreter des Initiativkreises Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus an und ist Mitglied der Friedensgruppe Lüdenscheid.

Doch werfen wir einen Blick auf die Gegenwart.
Rechtsradikale Gewalt gehört in Teilen unserer Republik zum Alltag. Die Statistik ist alarmierend: Nachdem die Zahl der erfassten Brandanschläge mit rechtsextremistischem Hintergrund 2006 bei 18 lag, ist sie 2007 auf 24 gestiegen. Ziele sind Ausländer, Moscheen sowie Autos oder Cafès von Einwanderern. Verfassungsschützer haben ein neues rechtsextremes Phänomen ausgemacht – sogenannte Autonome Nationalisten mit „signifikant höherer Gewaltbereitschaft gegen den politischen Gegner und Polizeikräfte“.

Die Rechten versuchen, als Vertreter des kleinen Mannes aufzutreten: „Sozial geht nur national“ lautet die neue Parole des rechten Antikapitalismus. Indem die Neonazis die soziale Frage besetzen, versuchen sie auch, Gewalt gegen „Schmarotzer“ und Andersdenkende gesellschaftsfähig zu machen. Mit rund 4.000 Mitgliedern werden zehn Prozent der Neonazi-Szene zu den Autonomen Nationalisten gezählt: Sie bilden dabei die Speerspitze einer breiten Gewaltbewegung, die im Westen der Republik vorrückt, im Osten längst etabliert ist, aus einem Gefühl der Unangreifbarkeit heraus den Alltag teilweise dominiert – und ungeniert zündelt. Wir müssen jedoch trotzdem darauf achten, dass aus einem übertriebenen Sicherheitsdenken unsere Grundrechte nicht noch weiter beschnitten werden und unser Land in einen Überwachungsstaat mutiert.

Wir wollen eine Minute schweigend der Häftlinge des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel gedenken. In das Gedenken schließen wir unseren Friedensfreund Heinz Dzewas ein, der am 7. August 2007 gestorben ist. Heinz war uns Friedensfreunden mit seiner starken und kämpferischen Persönlichkeit, seinem enormen Wissen und seiner Überzeugungskraft ein bleibendes Vorbild. Heinz lebt in unseren Herzen und Köpfen weiter.

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