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Während dem Terrorregime der NS-Zeit bekamen Brautpaare vom Standesbeamten ein Exemplar des von Adolf Hitler verfassten Buches "Mein Kampf", bestehend aus den beiden Bänden "Eine Abrechnung" und "Die nationalsozialistische Bewegung". Band I erschien 1925, 1927 folgte der Band II. Bei aufmerksamer Lektüre dieses Buches war unzweifelhaft zu erkennen, was Adolf Hitler, der von einem monomanischen Judenhass besessen war, über die Juden dachte. Aus der 1941 erschienenen 651./655. Auflage, welche beide Bände enthält, stammen die nachfolgenden Zitate:

Seiten 702, 703: "So ist der Jude heute der große Hetzer zur restlosen Zerstörung Deutschlands."
Seite 702: "Das Finanzjudentum wünscht ... nicht nur die restlose wirtschaftliche Vernichtung Deutschlands, sondern auch die vollkommene politische Versklavung."
Seite 703: "Die Gedankengänge des Judentums ... sind klar. Die Bolschewisierung Deutschlands, d.h. die Ausrottung der nationalen völkischen deutschen Intelligenz und die dadurch ermöglichte Auspressung der deutschen Arbeitskraft im Joche der jüdischen Weltfinanz, ist nur als Vorspiel gedacht für die Weiterverbreitung dieser jüdischen Eroberungstendenz."
Seite 329: "Den gewaltigsten Gegensatz zum Arier bildet der Jude."
Seite 331: "Wären die Juden auf dieser Welt allein, so würden sie ...in Schmutz und Unrat ersticken."
Seite 332: "Nein, der Jude besitzt keine irgendwie kulturbildende Kraft, da der Idealismus, ohne den es eine wahrhafte Höherentwicklung des Menschen nicht gibt, bei ihm nicht vorhanden ist und nie vorhanden war."
Seite 334: "Er (der Jude) ist und bleibt der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab."
Seite 61: "Überhaupt war die sittliche und sonstige Reinlichkeit dieses Volkes (der Juden) ein Punkt für sich. Dass es sich hier um keine Wasserliebhaber handelte, konnte man ihnen ja schon am Äußeren ansehen, leider sehr oft sogar bei geschlossenem Auge. Mir wurde bei dem Geruche dieser Kaftanträger später manchmal übel. Dazu kamen noch die unsaubere Kleidung und die wenig heldische Erscheinung. Dies alles konnte schon nicht sehr anziehend wirken; abgestoßen musste man aber werden, wenn man über die körperliche Unsauberkeit hinaus plötzlich die moralischen Schmutzflecken des auserwählten Volkes entdeckte."

Doch nun zu dem Judenpogrom in November 1938:

In der Nacht vom 09. zum 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland jüdische Synagogen. Angehörige von Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürger und misshandelten ihre Bewohner. 91 Tote, 2.676 zerstörte Gottes- und Gemeindehäuser und 7.500 verwüstete Geschäfte - das war die Bilanz des Terrors. Am 10. November 1938 wurden mehr als 30.000 männliche Juden in Konzentrationslager (KZ) verschleppt.

Die Weisung zu dem Pogrom war von München ausgegangen, wo sich die Führung der NSDAP zum Gedenken an den 15. Jahrestag des Hitler-Putsches versammelt hatte.Als Vorwand des von ihnen als angeblich spontanen Akt des "Volkszorns" deklarierten Terrors gegen die Juden nutzten die Nationalsozialisten das Attentat auf den Legationssekretärs an der deutschen Botschaft in Paris, Ernst von Rath, durch den erst 17-jährigen Herschel Grynspan am 07.11.1938, deren Folgen von Rath am 09.11.1038 erlag. Gryspan wollte mit dieser Tat gegen die Zwangsdeportation seiner Eltern und weiterer 15.000 aus Deutschland protestieren. Das Pogrom gegen die Juden und jüdische Einrichtungen wurde von den Nazis auf Grund der zerstörten Schaufensterscheiben verharmlosend als "Reichskristallnacht" bezeichnet. Das Pogrom war bis dahin der Höhepunkt eines staatlichen Antisemitismus, der mit der Machtübertragung auf die Nationalsozialisten 1933 begonnen hatte. Die Reaktionen der Bevölkerung während des Pogroms waren zumeist von eingeschüchterter Reserviertheit und einem schockierten Schweigen geprägt. Nur wenige Menschen, die nicht der SA oder SS angehörten, beteiligten sich aktiv an den Zerstörungen und den Brandschatzungen, auch nur wenige allerdings tätigten Hilfe für ihre jüdischen Nachbarn.

Die Ereignisse in der Stadt Lüdenscheid stellten sich wie folgt dar: In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 drangen uniformierte SA-Männer aus Lüdenscheid und von auswärts in die beiden einzigen in Lüdenscheid noch existierenden jüdischen Geschäfte ein. Hierbei handelte es sich um das Konfektionsgeschäft von D. Lebenberg, Inhaber O. Cahn, und das Kleidergeschäft von Julius Ripp, beide gelegen an der Knapper Straße. Sie zerstörten die Schaufensterscheiben und die Auslagen und plünderten. Das Raubgut wurde auf dem Adolf-Hitler-Platz, dem heutigen Rathausplatz, zusammengetragen und angezündet. SS-Mitglieder kamen hinzu und schoben vor den zerstörten Geschäften "Wache".

Der "gleichgeschaltete" Lüdenscheider General-Anzeiger verbreitete über die Lüdenscheider Ereignisse des 10. November 1938 in seiner Ausgabe vom 11. November 1938 folgende Lügen: Er berichtete, dass sich als "wohlverständliche Empörung" der Bevölkerung über die Folgen des "feigen Attentats" eines Juden auf den Legationssekretär von Rath die "begreiflicher Volkswut" gegen die jüdischen Geschäfte von D. Lebenberg und Julius Ripp richtete, wobei sämtliche Schaufensterscheiben von der Lüdenscheider Bevölkerung eingeworfen wurden, die ausgestellten Waren jedoch unangetastet blieben.

Die Männer der meisten jüdischen Familien wurden am 10. November 1938 in sogenannte Schutzhaft genommen, in die Gefängniskeller des damaligen Rathauses, dem heutigen Alten Rathaus, gebracht, kamen dann nach Dortmund und von dort in einem Sammeltransport in das KZ Sachsenhausen. Weihnachten 1938 kamen die Männer nach vielen Misshandlungen zurück und mussten unter ihre Geschäfte, die "arisiert" wurden, räumen und aufgeben.

In Lüdenscheid konnte in der Reichspogromnacht keine Synagoge geschändet oder durch Brand zerstört werden, weil es in Lüdenscheid keine Synagoge gab. Von 1902 bis 1937 trafen sich die jüdischen Bürger in der Betstube im oberen Stockwerk der Gaststätte "Jägerhof", Luisenstraße 37. Das Gebäude musste dem Anbau der Stadtbücherei weichen. Grund für die Aufgabe des Betraumes war, dass die geforderte Zahl von zehn Männern, die "Minjan", im Sabbatgottesdienst nicht mehr erreicht wurde. Eine Gedenktafel erinnert seit 1990 an die Betstube, welche die Stadt Lüdenscheid am rückwärtigen Anbau der Stadtbücherei anbringen ließ.

Generalstabsmäßig wurde in Lüdenscheid die Verhaftung der Juden im April 1942 durchgeführt. Von den 114 jüdischen Bürgern, die 1933 in Lüdenscheid wohnten, wurden während der NS-Diktatur 36 ermordet, ca. 1/3 konnten ins Ausland fliehen und ca. 1/3 überlebten unter schwersten Bedingungen (z.B. im KZ Theresienstadt). Auf Einladung der Stadt Lüdenscheid waren 1990 ehemalige jüdische Bürger zu Gast in Lüdenscheid. Der damalige Lüdenscheider Bürgermeister Jürgen Dietrich führte in seiner bemerkenswerten wie zukunftsweisenden Begrüßungsrede u.a. aus, dass die Vergangenheit nicht bewältigt werden kann, "weil dies angesichts der Unumkehrbarkeit der geschichtlichen Vorgänge nicht möglich ist. Es geht vielmehr um die Beherzigung der Aufforderung ‚Gedenke der Tage der Vergangenheit; Lerne aus der Vergangenheit!‚ Dieser geschichtliche Lernprozess aus der Vergangenheit ist gerade für uns Deutsche mit Rücksicht auf das dem jüdischen Volk zugefügte Leid eine entscheidende und bleibende Herausforderung."

Die historische Forschung anhand der Korrespondenz und Berichterstattung der SS selbst, mit Hilfe von Deportationslisten und Zeugenbefragungen zweifelsfrei Beweise erbracht, denen zufolge die Zahl der jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft weit über 5 Millionen liegt. Rechnet man die in Ghettos und Lagern aufgrund der Verhältnisse (Hunger, sanitäre Zustände, Entbehrung, Verzweiflung usw.) ums Leben Gekommenen, die Selbstmorde, die an den Folgen nach der Befreiung Umgekommenen hinzu, so überschreitet die Zahl der Holocaust-Opfer mit Sicherheit die 6-Millionen-Grenze. Man spricht auch von der Shoa (neuhebräisch: Unheil, Verderben oder Untergang). Das KZ Auschwitz mit seinen Gaskammern ist und bleibt das Symbol für den industriellen Massenmord an den Juden.

Nach einer aktuellen Studie der Uni Leipzig, welche die Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hatte, gaben 18,5 Prozent der Befragten an, dass "der Einfluss der Juden zu groß" sei. 13,8 Prozent meinen, Juden arbeiten mit üblen Tricks, um ihre Ziele zu erreichen. 15,2 Prozent meinen, es sollte einen Führer geben, "der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert". 26,7 Prozent stimmen ausländerfeindlichen Aussagen zu.

Das Alte Rathaus, an welchem wir heute zusammen gekommen sind, war während der NS-Zeit Sitz der Stadtverwaltung und auch der Polizei. In den damaligen Arrestzellen der Polizei im Rathauskeller wurden Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter vorübergehend eingesperrt, man nannte es ironischer Weise "Schutzhaft", und u.a. nach Auschwitz deportiert. Das Alte Rathaus mit seinen vormaligen Arrestzellen ist somit ein authentischer zeitgeschichtlicher Ort. In diesen ehemaligen Arrestzellen sollte die Stadt Lüdenscheid auf wiederholte Bitten der Friedensgruppe Lüdenscheid, die ich heute eindringlich wiederhole, zur dauernden Erinnerung und Mahnung eine Dokumentation über das NS-Unrecht und deren Folgen realisieren. In dieser Dokumentation sind neben den Schicksalen der Juden u.a. auch die Schicksale der Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, aber auch der Flüchtlinge und Vertriebenen zu dokumentieren.

Ich erinnere an unser Grundgesetz vom 23. Mai 1949, Artikel 1 (Schutz der Menschenwürde):

  1. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
  2. Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.


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