Friedensgruppe Lüdenscheid

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Vorbemerkungen zur Liste der Zwangsarbeitgeber


Lüdenscheid ist heute mit über 80.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Märkischen Kreis. Heute wie vor 60 Jahren ist sie ein wichtiger Industriestandort, vor allem der Elektro- und Metallindustrie. Im zweiten Weltkrieg wurden etliche Zwangsarbeiter nach Lüdenscheid verschleppt und dort z.T. in kriegswichtigen Industriebetrieben ausgebeutet.

Die Namen dieser Zwangsarbeiter sind amtlich bekannt, sie werden jedoch aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Betroffenen hier nicht angegeben. Nicht die Opfer, sondern die Täter sollen in den Vordergrund gerückt werden. Auch wenn die Zwangsarbeiter vielleicht nicht in jedem Einzelfall von ihren Zwangsarbeitgebern unterversorgt, misshandelt oder erschlagen wurden, so ist allein ihre Verschleppung und Ausbeutung an sich sowie auch jede Nutzung und Beteiligung daran ein Unrecht, dessen Sühne bis heute aussteht, wenn auch eine geringfügige Teil-Entschädigung jetzt offenbar anläuft. Eine wirkliche Wiedergutmachung ist das nicht!

Auf dieser Webseite wird grundsätzlich das Wort "Zwangsarbeitgeber" statt "Arbeitgeber" für die Nutzer von Zwangsarbeit verwendet, weil letzteres eine Normalität suggeriert, die nicht gegeben war. Es stünden auch noch die Begriffe "Arbeitsviehverwerter" oder "Sklavenhalter" zur Wahl, denn die Auswahl durch die Unternehmen nach Ankunft in den Sammellagern gleicht fatal einem römischen Sklavenmarkt oder der Auswahl von Arbeitsvieh auf früheren Pferdemärkten, wobei allerdings kein vernünftiger Bauer sein Arbeitsvieh jemals so schlecht behandelt hätte (vgl. "ARBEIT MACHT FREI", Zwangsarbeit in Lüdenscheid 1939 - 1945 von Mathias Wagner, S. 53, übrigens ein sehr informatives Buch).

Es wäre oberflächlich und zu kurz gedacht, das Problem von Krieg, Zwangsarbeit und Arbeitserziehungslager auf das Verhältnis "Böse Deutsche" vs. "Arme Auländer" zu reduzieren. Lüdenscheid war ein kriegswichtiger Industriestandort. Schon vorher waren männliche Arbeitskräfte durch schlechter bezahlte Frauen ersetzt worden, was die Lohnkosten der Unternehmen und damit die Familieneinkommen der Arbeiter senkte. Nun wurden durch den Einsatz von Zwangsarbeitern weitere deutsche Männer frei, die dann als Kanonenfutter halfen, Krieg und Elend weiter zu verlängern. Diese Maßnahme senkten die Kosten für die Unternehmen noch einmal und brachten ihnen auch in Lüdenscheid hohe Extraprofite.

Natürlich wurde den Deutschen "Herrenmenschen" eingeredet, sie wären die Nutznießer von Krieg und Eroberung und sie hatten es ja auch nicht ganz so schlecht wie die "Untermenschen". Aber wer hatte denn wirklich einen Vorteil davon, wenn deutsche Väter und Söhne töten und sich töten lassen mussten, wenn daher die Frauen und Mütter zur Arbeit mussten, wenn trotzdem ihre Familien immer weniger zu Essen bekamen, wenn deutsche Frauen und Männer bei geringsten "Vergehen" in Arbeitserziehungslagern und KZ eingesperrt und misshandelt wurden, während gleichzeitig viele Unternehmen Riesenprofite machten, im Lande selbst durch Rüstungsaufträge und Zwangsarbeit und in den eroberten Gebieten durch Aneignung milliardenschwerer Industrien und wertvollster Bodenschätze?

Um zu verhindern, dass sich die Bevölkerung darüber zu kluge Gedanken machte oder sogar an ihrem eigenen Verderben nicht mehr mitarbeiten wollte, wurde mit einem ausgeklügelten System alles und jeder einer Kriegs- und Zwangsmaschinerie untergeordnet, z.B durch ein der Zwangsarbeit sehr ähnliches Arbeitsrecht: Jedem Deutschen konnte ein Arbeitsplatz zugewiesen werden, den er anzutreten hatte. Bei Nicht-Antreten oder "Bummelei" konnte er im Wiederholungsfall in ein Arbeitserziehungslager eingesperrt werden. Wer es dann immer noch nicht begriffen hatte, für den gab es Strafbataillone oder KZ.

Im Verschleppen waren Unternehmen und Politik nicht nur vor 60 Jahren groß. Ebenso wie damals die Zwangsarbeiter verschleppten Unternehmen und Politik in der derzeitigen Auseinandersetzung um Entschädigung der Zwangsarbeiter die Verhandlungen. Zynisch spielten sie auf Zeit, damit sich die Zahl der Anspruchsberechtigten durch Tod weiter reduziert oder sich gar durch Aussterben von selbst erledigt. Auf diese Art wurde nach der "Vernichtung durch Arbeit" im Faschismus in Deutschland heutzutage erneut von Unternehmen und Politik mit dem Tod der Betroffenen spekuliert, um Kosten zu senken.

Nun wurde endlich ein Abkommen getroffen, das einem kleinen Teil der Zwangsarbeiter eine schäbige Wiedergutmachung anbietet. Nun gut, könnte man sagen, die Schuldigen haben immerhin 10 Milliarden bereitgestellt. Haben sie das wirklich? Die Hälfte davon bezahlt der Staat aus Steuermitteln, die andere Hälfte sind Betriebsausgaben und können steuerlich abgesetzt werden. Auf diese Art bleiben gerade mal gut 2 Milliarden übrig, und das haben Daimler-Chrysler, Siemens oder die IG-Farben Nachfolger doch locker in der Portokasse. Einfach erbärmlich wirkt da das Sicherheitsverlangen gegenüber weiteren Forderungen. Welche Sicherheiten hatten denn die Zwangsarbeiter?

Hier soll offenbar nach der Methode "Schwamm drüber" ein Deckel auf Forderungen und die ganze öffentliche Dabatte gemacht werden. Diese Veröffentlichung dient dazu, dem gegenzusteuern.

Einige Bemerkungen zum Schluss: Es gab keine staatliche Anordnung zur Annahme von Zwangsarbeitern. Wer keine wollte, wurde nicht benachteiligt. Der Grund war eher ökonomischer Art, sprich Kostensenkung. Dass die Crème der damaligen Lüdenscheider Industrie zu den Hauptnutzern der Zwangsarbeit zählt, ist daher kein Wunder. Aber wie erklärt man die Zwangsarbeit bei Privatleuten und dem Christlichen Hospiz der Evgl. Kirchengemeinde Wiedenhof? Ausbeutung von Zwangsarbeit als erste Bürgerpflicht oder als Ausdruck christlicher Nächstenliebe?

Als letztes stellt sich die Frage: Haben wir aus der Geschichte gelernt? Wie anfällig sind die Deutschen heute gegenüber diesen Tendenzen? Die damalige Isolierung, das System "Teile und Herrsche", demzufolge Deutsche und Zwangsarbeiter strikt voneinander isoliert wurden, fand man bereits in den 60ern im Verhältnis zu den Gastarbeitern wieder, rassistische Ideen spuken durch viele Köpfe, Neonaziparteien kommen wieder in Parlamente, Ausländerheime brennen und Law-and-Order-Politiker der rechten Mitte bekommen wieder Beifall für ausländerfeindliche Parolen, jedoch erfolgt all dieses (noch?) nicht unter staatlicher Regie. 54 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg hat es Deutschland ja schon wieder bis zum Krieg gebracht. Erste Schritte in den Fußstapfen des Faschismus sind damit getan. Kommen nun auch irgendwann wieder die Zwangsarbeiter?


Updated: Fri Jun 25 09:57:16 2004