In die Falle gelockt

Ergänzende Anmerkung zur Irak-Broschüre (Kein Blut für Öl) I
von Dieter Hohaus

Immer wieder wird über den drohenden Krieg der USA gegen den Irak berichtet. Nun, es handelt sich um einen permanenten Krieg, der bereits seit 1991 andauert.

Die USA stellten Saddam Hussein eine Falle: Im Juli 1990 überbrachte die US-Botschafterin Glaspie in Bagdad eine Botschaft: Präsident Bush (sen.) wünsche, die Beziehungen zu Irak "auszubauen und zu vertiefen" und "Wir haben zu den innerarabischen Differenzen wie auch zu Ihren Auseinandersetzungen mit Kuwait nicht viel zu sagen. Wir alle sind davon überzeugt, daß Sie das Problem bald lösen werden."
Am 2. August 1990 begann der irakische Einmarsch in Kuwait. Der UN-Sicherheitsrat forderte den bedingungslosen Rückzug und verhängte ein totales Wirtschaftsembargo gegen den Irak. Auf Drängen der USA setzte er eine Frist, bis zum 15. Januar 1991 Kuwait zu räumen, andernfalls sei die "Anwendung aller notwendigen Mittel" erlaubt.

Am 17.1. begannen die USA ihre Luftangriffe auf irakische und kuwaitische Städte; eine Fliegerbombe traf am 13. Februar einen Luftschutzbunker in Bagdad und tötete über 400 Zivilisten.

Nach dem Beginn des Bodenkrieges erklärte Saddam zum 26. 2. den Rückzug aus Kuwait. Es entstanden große Umweltschäden; 727 Ölquellen sollen von den Irakern in Brand gesetzt worden sein.

Fliehende irakische Truppen gerieten in massive alliierte Luftangriffe. Tausende irakischer Soldaten wurden von Flugzeugen aus erschossen. Die Amerikaner nannten es "Truthahnschießen" (kann Massenmord Spaß machen?!). Über 30.000 Iraker kamen um, als Spezialbomben, von B -52- Bombern abgeworfen, ihre inneren Organe implodieren ließen. Andere verbrannten im Feuer von Napalmbomben, einige hundert wurden ob tot oder lebendig oder verwundet, von Bulldozern in ihren Schützengräben zugeschüttet. (Ähnliches war ja schon mit einigen deutschen Kriegsgefangenen 1945 im US-Gefangenenlager bei Remagen geschehen.)

Soldaten beider Seiten kamen mit chemischen Kampfstoffen bzw. mit Resten uranhaltiger Munition in Berührung; auf alliierter Seite sollen fast 4.000 an diesen Folgen verstorben sein.

Am Abend des 27. 2. nahm der Irak alle UN-Resolutionen an.

Auf Seiten der Alliierten sind nach Angaben der Militärs 211 Soldaten ums Leben gekommen. Die Angaben zu den Verlusten der Iraker waren sehr unterschiedlich. Der US-Armeestab bezifferte die Verluste der Iraker auf ca. 100.000 Tote der irakischen Armee und 2.500 bis 3.000 zivile Opfer. Nach offiziellen Meldungen aus Bagdad waren 35.000 bis 45.000 Tote unter der Zivilbevölkerung zu beklagen und ca. 75.000 bis 100.000 getötete Soldaten. Die genaue Anzahl der Kriegsopfer wird man wohl kaum je erfahren.

Die Leiden der Zivilbevölkerung halten bis zum heutigen Tage an: Es erfolgten nicht nur sporadisch weitere vereinzelte Luftangriffe, sondern auch Großangriffe. Im September 1996 (in den USA herrschte Wahlkampf). wurden von Schiffen der US-Marine aus und Bombern massive "Luftschläge" gegen den Irak geführt. Kurz vor Weihnachten, während des Ramadan, 1998 flogen die USA und Großbritannien die schwersten Luftangriffe seit 1991 auf die Stadt Bagdad und andere "Ziele" im Irak (Präsident Bill Clinton hatte die seit längerer Zeit geplanten Angriffe einen Tag vor einer anstehenden Abstimmung über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn wegen seiner Affäre mit der Angestellten Lewinsky angeordnet). Begründet wurden diese Angriffe mit der Weigerung Saddam Husseins, mit den Waffeninspektoren zusammenzuarbeiten.

Eine Zustimmung der UNO zu diesen Angriffen lag nicht vor, vielmehr sprach Generalsekretär Annan von "einem traurigen Tag für die UNO und für mich".

Frankreich hat im April 2000 weitere erfolgte Luftangriffe als "unnötig, grausam und mörderisch" kritisiert.

Von den USA und England wurde u.a. Urankernmunition eingesetzt, in dessen Folge sind in der Gegend von Basra 10 % aller Neugeborenen mißgestaltet.

Das über den Irak verhängte Embargo trifft, wie fast immer in solchen Fällen, die große unschuldige, ohnehin unter den Maßnahmen des Diktators leidende Mehrheit des Volkes. Schon 1994, dem fünften Jahr des Wirtschaftsembargos gab es Berichte, nach denen das Gesundheitssystem zusammengebrochen sei. In den Krankenhäusern gab es kaum noch Medikamente und nur wenig zu essen. Nach irakischen Angaben litten 1,4 Mio. Kinder an Unterernährung und Mangelkrankheiten. Weitgehend ausgerottete Infektionskrankheiten wie Kinderlähmung, Typhus und Cholera nahmen sprunghaft zu. Von August 1990 bis März 1994 fielen nach irakischer Statistik 384.022 Menschen dem kollabierenden Gesundheitswesen zum Opfer.

Im März 1995 verlängerte der UN-Sicherheitsrat auf Druck der USA zum 24. Mal seit Beginn des Embargos, die Sanktionen gegen den Irak. Diese Entscheidung bedeute das Todesurteil für weitere Tausende von irakischen Frauen, Kindern, Kranken und alten Menschen; das Embargo werde als Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln angesehen, so ein Repräsentant von Unicef.

"Die Sanktionen bringen uns um", urteilen die Iraker. "Für den Irak sind die Sanktionen ein psychologisches Trauma", sagte ein UN-Mitarbeiter schon 1998. "Das war einmal eines der höchst entwickelten arabischen Länder. Die Leute sind ganz tief gefallen." "Es herrscht eine unerhörte Agonie", so ist ein Artikel über die Zustände im Land überschrieben. Die Menschen leben von durchschnittlich 6,-DM im Monat. Das gesamte soziale Geflecht löst sich auf. Der Irak gehöre nunmehr zu den fünf ärmsten Ländern der Welt.

Die Altstadt von Bagdad sei ein einziger Überlebensmarkt, kostbare antiquarische Bücher, Möbel und Hausrat würden aus Not zum Verkauf angeboten. Eine Mittelschicht gebe es nicht mehr. Etwa 5.000 Kinder stürben monatlich an den Folgen des Embargos.

Das Abwasssersystem sei zum Teil zusammengebrochen, der Strom falle immer wieder aus und damit auch die Pumpen für die Trinkwasserversorgung.

"Was derzeit im Irak passiert, erfüllt den Tatbestand der Menschenrechtsverletzung gemäß der UN-Charta", sagte der deutsche UNO-Diplomat von Sponeck und erklärte im Februar 2000 seinen Rücktritt um auf die verheerenden Wirkungen des Embargos aufmerksam zu machen. Ebenso trat die Leiterin des UN-Welternährungsprogramms im Irak, Jutta Burghardt, zurück.

"Abgesehen von den lebensnotwendigen Dingen des Alltags ist es noch viel wichtiger, dem irakischen Volk seine Würde zurückzugeben," erklärte von Sponeck, nur so sei Frieden möglich.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie forderte im Juli 2000 die Bundesregierung auf, die Irak-Sanktionen zu lockern.

Zwei Studien belegen, daß trotz, oder gerade wegen der Bombenangriffe und des Embargos Saddam Hussein fester im Sattel sitzt denn je zuvor. Der Philosoph Noam Chomsky kritisierte die zwielichtige moralische Haltung der USA in ihrer Irakpolitik. Als Saddam 1988 mit Giftgas gegen die Kurden oder mit chemischen Waffen gegen den Iran vorging, habe die US-Regierung geschwiegen. Erst die Kuwait-Invasion habe Saddam vom "besten Freund" zur "Bestie von Bagdad" mutieren lassen. Im amerikanischen Fernsehen habe denn auch die Außenministerin Albright zum Tod von 500.000 Kindern gemeint, "es ist eine schwere Entscheidung, aber wir glauben, daß sie den Preis wert ist."

Chris Doyle meint, die Sanktionspolitik sei gescheitert und habe dem Irak nur Zerstörung gebracht. "Die arabischen Staaten sind nicht länger bereit, dies zu übersehen."

Großbritanniens Obersozialist Tony Blair läßt kräftig mitbombardieren, wohl in unseligem Gedenken an die englischen Kolonialkriege vergangener Jahrhunderte.