Friedensgruppe Lüdenscheid

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Ansprache von Thomas Mehner zum Antikriegstag 2003

Liebe Freundinnen und Freunde, Kameraden, Genossen und Mitstreiter für den Frieden ,

Wie mein Vorredner Mathias Wagner gerade deutlich gemacht hat, ist Faschismus die terroristische Machtausübung der weltbeherrschenden multinationalen Großkonzerne und Banken und ihrer Staatsorganisation nach innen, also gegen die eigene Bevölkerung, Krieg ist die gleiche terroristische Machtausübung, nur nach außen, also gegen fremde Völker. "Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg", dieses Motto, geboren aus der als Erfahrung von Nazi-Terror und imperialistischem Eroberungskrieg, ist seit 1945 unser zentrales Bekenntnis, ist heute richtiger als je zuvor, richtig als Hoffnung, als Wunsch, als Forderung, als Kampfziel, als Zukunft.

Als wir uns vor einem Jahr hier versammelten, haben wir vor einem drohenden Krieg der USA gegen den Irak gewarnt. Wie sich jetzt herausstellt, war zu diesem Zeitpunkt die Strategie für diesen Krieg bereits vom US-Präsidenten abgezeichnet und der Krieg selbst fest eingeplant. Heute, im Rückblick auf das vergangene Jahr, ist es erstaunlich, dass, abgesehen von den Kampfhandlungen gegen die irakische Armee, die politische Vorbereitung des Krieges dilettantisch und eine Nachkriegsplanung erst gar nicht vorhanden ist.

Im Rahmen der politischen Vorbereitung waren die Krieggründe so offensichtlich an den Haaren herbeigezogen, dass die USA im Weltsicherheitsrat die größte Niederlage seit 1945 erlitten haben. 55 Jahre lang haben die USA mit allen Mitteln daran gearbeitet, in Westeuropa die Russen draußen, die Deutschen unten und die USA drin zu halten. George W. Bush hat es innerhalb von 3 Monaten geschafft, in Westeuropa die Russen rein, die Deutschen nach oben und die USA raus zu bekommen. Parallele Entwicklungen gibt es weltweit.

Auf der einen Seite waren die USA so sehr bestrebt, den Krieg gegen den Irak zu beginnen, dass sie bereit waren, selbst traditionelle Freunde und Verbündete zu verprellen. Andererseits haben sie die Situation im Irak nicht im Ansatz im Griff. Die USA sind unfähig, auch nur die grundlegendsten Pflichten einer Besatzungsmacht zu erfüllen. Weder können Sie die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten noch die Versorgung der Grundbedürfnisse erfüllen. Die Situation hat sich soweit verschlechtert, dass die USA gezwungen sind, zur "irrelevanten" UN zurückzukehren, um sich aus der selbstgeschaffenen Misere helfen zu lassen, da sie diese selbst nicht mehr lösen können.

Ursache dafür ist, dass die USA, die globale Weltmacht, die Kernmacht des Imperialismus, wie man die Globalisierung auch nennen könnte, eine Macht im Niedergang sind.

Der erste Aspekt des Problems besteht darin, dass die USA nach dem Zerfall der Sowjetunion die einzig übriggebliebene Supermacht sind. Die früher beanspruchte und von der restlichen westlichen Welt zugestandene Führungsrolle angesichts des gemeinsamen grundsätzlichen Systemgegners UdSSR ist nach deren Zerfall einer Konkurrenz untereinander gewichen. Nur noch die Osteuropäer des "neuen Europa" hoffen, durch die Anlehnung an die USA verhindern zu können, vom westeuropäischen Kapital vollständig gefressen zu werden.

Zweitens befinden sich die USA im ökonomischen Niedergang. Seit Mitte der 70er Jahre erzielen die USA ein Handelsbilanzdefizit, d. h. sie importieren mehr Güter und Dienstleistungen als sie exportieren. Bis Anfang der 90er Jahre wurde dieses Defizit ausgeglichen, beispielsweise durch amerikanische Unternehmen im Ausland, die ihre Profite in die USA überwiesen. Aufgrund der abnehmenden Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen Industrie reicht dies seit Beginn der 90er Jahre nicht mehr aus. Im Moment müssen sich die USA pro Jahr mit über 500 Mrd. $ pro Jahr neu verschulden und sind mit ca. 3.000 bis 3.500 Mrd. Dollar Auslandsschulden zur größten Schuldnernation der Welt geworden. Konkret bedeutet dies, dass sie nur noch 2 Drittel ihrer Importe bezahlen können, eine Situation, die auf die Dauer ökonomisch nicht haltbar ist.

Angesichts dieser Lage gibt es für die USA zwei Möglichkeiten zu reagieren. Möglichkeit 1 besteht darin, durch grundlegende innere Reformen die verlorene Konkurrenzfähigkeit zurückzugewinnen. Stichworte dafür wären z.B. Ausbildung, Sozialversicherungssystem, Investitionen in die Infrastruktur (Stromversorgung!) und Modernisierung der Industrie. Diese Option, die auch der Entdemokratisierung, schleichenden Faschisierung und Verelendung in den USA entgegenwirken könnte, wurde von verschiedenen Regierungen immer wieder zaghaft in Angriff genommen. Der letzte Versuch war die Reform der Krankenversicherung durch die Regierung Clinton, die kläglich gescheitert ist. Schwierig wird diese Option dadurch, dass sie gewaltige Geldmittel erfordert, die letztendlich nur auf Kosten der Gewinne der Großkonzerne und Banken zu beschaffen sind. Die Steuersenkungspolitik der Regierung Bush zeigt, dass dies nicht die Priorität eines großen Teils der herrschenden Kreise in den USA ist.

Möglichkeit 2 besteht darin, den einzigen Trumpf auszuspielen, der den USA geblieben ist: das Militär, um mit dessen Hilfe durch Raub und Ausplünderung fremder Ressourcen die Finanzierung ihrer defizitären Wirtschaft abzusichern.

Im Moment sind wir Zeuge, wie der Versuch, die verlorengegangene politische und wirtschaftliche Überlegenheit durch die Eroberung der Energieressourcen der Welt wiederherzustellen, scheitert. Der Irak, als dass schwächste Glied der arabischen Welt, war ja nur als Anfang gedacht. Ziel war die Übernahme und Umgestaltung des gesamten nahen und mittleren Ostens in einer Art Wiederholung der Ereignisse von 1989 in Osteuropa. Das hat nicht geklappt. Die USA sind finanziell am Ende, ihr Konzept der Finanzierung der hohen Kriegskosten durch Raub des irakischen Staatsvermögens und Ausplünderung des irakischen Öls ist gescheitert; sie bekommen kaum ein Barrel aus dem Land, ihr Krieg ist damit kaum noch finanzierbar; die Moral ihrer Truppen sinkt immer weiter, der Gegner ist nicht zu besiegen; und sie müssen diese Situation zur Zeit allein und praktisch weltweit isoliert aushalten.

Grund für das Scheitern der USA im Irak ist die Tatsache, dass es der irakischen Führung, die nach wie vor existiert und aus dem Untergrund heraus operiert, offensichtlich gelungen ist, Methoden der sozialen, politischen und militärischen Kriegsführung zu entwickeln, die es ihr erlauben, bis heute die Initiative zu behalten und den Gang der Ereignisse zu bestimmen, ohne dass die USA in der Lage sind, darauf angemessen zu reagieren. Diese Methoden sind brutal und skrupellos, aber äußerst effektiv. Der Irakkrieg ist keinesfalls zuende, aber er ist für die USA nicht mehr zu gewinnen.

Schon bis heute sind zehntausende Menschen ums Leben gekommen, große materielle Schäden entstanden und unersetzbare Kulturgüter zerstört worden. Es besteht die große Gefahr, dass sich die Verluste vervielfachen. Um das zu verhindern ist es notwendig:

- dass die USA sofort abziehen,

- Übernahme der militärischen und politischen Verantwortung durch die UNO mit klarer Aufgabenstellung und einem klarem und engem Zeitplan, eher in Monaten als in Jahren,

- Reparationszahlungen der USA und ihrer Verbündeten, um den angerichteten Schaden zu ersetzen und dem Irak die Möglichkeit eines Neustarts zu geben.

Im Irak sind die USA auf einen Gegner getroffen, der sich lange auf diese Auseinandersetzung vorbereitet hat, ihre Schwächen kennt, und weiß, welche Hebel er zu bewegen hat, um welches Segment der irakischen Gesellschaft in welche Richtung zu bewegen. Die dabei eingesetzten Techniken werden in den nächsten Jahren weltweit der Gegenstand zahlreicher Studien der dafür zuständigen Stellen werden.

Die Option, interne Probleme der USA oder eines beliebigen anderen Landes durch die Besetzung und Ausplünderung eines anderen Landes zu lösen, ist an den Ufern von Euphrat und Tigris, der Wiege der Zivilisation, verbrannt. Hoffen wir, dass diese Erkenntnis möglichst schnell in Washington und anderswo ankommt. Auch Deutschland, wo der Krieg wieder "normales" Mittel der Politik geworden ist, wie die Beteiligung an den völkerrechts- und verfassungswidrigen Angriffskriegen und Besetzungen von Jugoslawien und Afghanistan zeigt, auch Deutschland sollte umgehend begreifen, dass der Weg des weltweiten militärischen Eingriffs, so wie er derzeit von Struck geplant wird, eine Sackgasse der Geschichte, ein Weg in den Sumpf ist. Nie wieder Krieg, nie wieder Faschimus!


Updated: Fri Jun 25 09:57:16 2004