Ansprache von Superintendent Klaus Majoress zur Kundgebung gegen einen möglichen Krieg im Irak am 14. Febr. 2003 auf dem Rathausplatz in Lüdenscheid
Meine Damen und Herren,
es gibt von kirchlicher Seite - und das durch alle Konfessionen und Kontinente hindurch - ein deutliches Nein zu einem Krieg im Irak. Das Nein gipfelt in den Worten des Papstes Johannes Paul II., der beim Neujahrsempfang des Vatikans den Vertretern von rund 175 Ländern zurief: "Nein zum Tod! Nein zum Krieg! Ja zum Leben! Ja zum Frieden!" "Denn" - so der Papst - "Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit".
Die erste Forderung die wir als Kirchen stellen ist das Ja zum Leben, das Ja zum Frieden, denn das ist ein fundamentales Menschenrecht.
Kann es das denn wirklich geben - einen ,Gerechten Krieg'? Kann es das geben, einen Krieg der ,Recht schafft', wenn im Vorfeld bereits bekannt ist,
dass es Tausende von Opfern geben wird vor allem in der Zivilbevölkerung,
dass Flüchtlingsströme das Bild eines solchen Krieges in großem Ausmaß prägen werden,
dass es unübersehbar sein wird, welche Kreise ein solcher Krieg - gerade in einer so spannungsgeladenen Region wie dem Nahen Osten -
ziehen wird,
und dass die Folgen eines solchen Krieges in einer Welt, in der Terrorismus und Gewalt unkontrollierbar und unbeherrschbar, unabsehbar sind.
Kann es das geben einen ,Gerechten Krieg'? Ist es nicht dringend an der Zeit sich auf die Frage nach einem gerechten Frieden, nach einem Ja zum Leben neu zu konzentrieren und alle Kräfte zu bündeln, die helfen, zum Frieden beizutragen?
Die Hintergründe des geplanten Krieges im Irak lassen wenig Raum für diese Frage.
Mich erschreckt, dass in allen Äußerungen und Überlegungen zum Widerstand gegen das Irakregime neben der Frage nach den rechtlichen Gründen und den eigentlichen Beweggründen die Frage nach dem humanitären Aspekt nur in erschreckend geringem Maße und allenfalls noch am Rand eine Rolle spielt.
Dabei geht es nicht um ein pazifistisches oder harmonisierendes Wunschdenken. Wer gegen einen krieg im Irak ist, ist nicht automatisch damit für Saddam Hussein. Dieser ist und bleibt ein gefährlicher und gewiefter Diktator. Aber er ist nicht der einzige, der eine Gefahr darstellt und es lässt sich eine diese Gefahr nicht überall auf der Welt einfach wegbomben.
Einen ,Gerechter Krieg', wie er in der Geschichte immer wieder als letzten Ausweg proklamiert wurde, gibt es nicht. Die Kriege der letzten Jahre haben das deutlich unter Beweis gestellt! Krieg ist und bleibt ein Übel - immer mit unabsehbaren Folgen immer zu Lasten derer, die zu Opfern werden, immer zu Lasten derer, die sich nicht wehren können. Jeder Krieg - so der Papst ist eine Niederlage für die Menschheit ist. Jeder Krieg ist und bleibt ein Übel.
Deshalb sind wir auch in den Kirchen äußerst besorgt über die nicht nachlassenden Forderungen der USA und einiger europäischer Regierungen nach militärischen Aktionen gegen den Irak und auch über die mangelnde Bereitschaft sich Wegen der Diplomatie und den Forderungen auch der Waffeninspektoren, die gestern in den Worten des Leiters der Waffeninspektionen Herrn Blix ihren Ausdruck fanden, zu öffnen.
Als Menschen des Glaubens drängt uns die Liebe zu unseren Nächsten, gegen Krieg Widerstand zu leisten und friedliche Konfliktlösungen zu suchen. Als Kirchen stehen wir ein für Frieden und Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit auch für die Menschen im Irak und im Nahen Osten insgesamt. Das verpflichtet uns, Werkzeuge des Friedens zu sein.
Deshalb sind wir erschrocken darüber, dass die mächtigsten Nationen dieser Welt Krieg wieder als ein akzeptables Mittel der Außenpolitik betrachten, das schafft ein internationales Klima von Furcht, Bedrohung und Unsicherheit und nimmt der Chance zu einem dauerhaften Frieden den Raum.
Wir können die Ziele, die von den Regierungen, insbesondere der USA, zur Begründung eines Krieges gegen den Irak angeführt werden, nicht akzeptieren. Ein präventiver kriegerischer Angriff als Mittel, um die Regierung eines souveränen Staates auszuwechseln ist unmoralisch und stellt eine Verletzung der UN -Charta dar. Wir appellieren an den Sicherheitsrat, an den Grundsätzen der UN-Charta festzuhalten.
Wir glauben, dass militärische Gewalt ein ungeeignetes Mittel ist, um die Abrüstung irakischer Massenvernichtungswaffen zu erreichen. Wir fordern, dass für die sorgfältig geplanten Maßnahmen der UN-Waffeninspektionen genügend Zeit eingeräumt wird, um die Arbeit zu Ende führen zu können. Aber auch die Regierung im Irak sich auffordern lassen, alle Massenvernichtungswaffen zu zerstören und damit verbundene Forschung und Produktionsstätten aufzugeben. Den Menschen im Irak muss die Hoffnung gegeben werden, dass es Alternativen sowohl zu Diktatur als zu Krieg gibt.
Neben den unabsehbaren Folgen eines solchen Krieges im Irak warnen wir ausdrücklich vor den möglichen sozialen, kulturellen und religiösen Langzeitfolgen eines solchen Krieges. Weiteres Öl ins Feuer der Gewalt zu gießen, das die Region bereits auffrisst, wird den Hass nur noch weiter anfachen, extremistische Ideologien stärken und weitere globale Unsicherheit nähren. Es ist wichtig, dass wir alles daran setzen, gegen Fremdenhass in unseren Ländern entgegenzutreten und den Menschen in der muslimischen Welt die Furcht zu nehmen, die sogenannte westliche Christenheit stelle sich gegen ihre Kultur, Religion und Werte. Wir müssen die Zusammenarbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde, das "Ja zum Leben" suchen und alles Erdenkliche dafür tun.
Deshalb fordern wir alle Regierungen, insbesondere die Mitglieder des Sicherheitsrates auf, die Frage nach einer Lösung des Irakkonflikts in ihrer Komplexität zu bedenken und alle denkbaren friedlichen und diplomatischen Bemühungen auszuschöpfen, um den Irakkonflikt beizulegen.
Das Ja zum Leben, das Ja zum Frieden muss über allen Bemühungen stehen, damit Krieg vermieden wird und alles getan wird, die Chance zu einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu ermöglichen.
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