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Übersetzung des Reiseberichts von Karen und Tim Morse zu ihrer Reise in die Niederlande und nach Deutschland auf den Spuren Walter Süskinds - aus dem Newsletter - August 2007 auf der Website "Secret Courage"

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Deutschland – Matthias Wagner

Wir haben das große Glück, nun Matthias Wagner zu unseren Freunden zu zählen. Er ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium in Lüdenscheid, Walter Süskinds Geburtsstadt.Er und seine Frau sind auch Friedensaktivisten und „Anwälte“ für Flüchtlinge.

Matthias unterichtete die Geschichte des Holocaust in den 1980er Jahren als Schüler ihn nach dem Schicksal der vor dem Krieg in Lüdenscheid lebenden Juden fragten. Als er keine Aufzeichnungen finden konnte, nahm er selbst Nachforschungen auf und entdeckte viele Verbindungen früherer Einwohner zum Holocaust. Er schrieb ein Buch mit dem Titel „Lüdenscheider Jüdinnen und Juden 1690 – 1945“ und hielt öffentliche Vorträge und Führungen zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit.

In 1993 erhielt Matthias von einem Lüdenscheider Überlebenden, welcher in den USA lebt, einen Artikel von David Arnold im Boston Globe. Er sah eine enge Verbindung zur Geschichte Walter Süskinds und er setzte sich dafür ein, damit Walter Süskind die würdige Ehrung erhält. Matthias übersetzte sogar Davids Artikel zur Veröffentlichung ins Deutsche mit dem Titel „Walter Süskind – Retter, Täter und Opfer im Holocaust“

Im Jahre 2005 nahm Matthias Kontakt zu Rita Noach Dresser auf. Sie war ein Kind aus Lüdenscheid, das nach Holland floh, durch die „Crêche“ gerettet wurde und versteckt den Krieg überlebte. Er besuchte mit einer kleinen Gruppe Schüler Rita Noach Dresser zu Hause in Voorburg, Niederlande, wo sie Rita mit Videokamera interviewten. Zurück zu Hause im Klassenzimmer entstand daraus ein kurzer Film über Rita, welcher auch Informationen über Walter Süskind und die Rettungsanstrengungen enthielt. Wie sich herausstellte, ist Rita eine enge Freundin von Betty und Danny Fiszbajn! Betty mailte, um uns von dieser Verbindung zu berichten und wir begannen eine Email-Korrespondenz mit Matthias. Als wir wussten, dass wir nach Deutschland reisen würden, fragten wir Matthias, ob wir ihn in Lüdenscheid besuchen könnten. Wir hatten keine Ahnung, was uns da bevorstand.

Matthias ist sehr begeistert von unserem Filmprojekt – wir hatten drei aufregende Tage mit diesem faszinierenden Mann. Am ersten Tag fuhr er mit uns nach Münster, wo er ein Treffen mit Markus Köster, dem Direktor einer regionalen staatlichen Medienzentrale (Landschaftsverband Westfalen-Lippe, d. Red.) arrangierte. Wir hatten ein wundervolles Treffen, wobei wir über die Möglichkeit sprachen, den Film mit deutschen Untertiteln zu versehen und in über Bildungsangebote zu verbreiten.

Während wir in Münster waren, arrangierte Markus Köster für uns drei den Besuch in einem faszinierenden kleinen Museum in der Stadt. Für gewöhnlich ist es Montags geschlossen, aber man öffnete uns die Türen, drehte das Licht an und machte für uns eine persönliche Führung. Die Villa ten Hompel wurde von den Deutschen beschlagnahmt und zu einem Hauptquartier und Kommunikationszentrale für Gestapo und Polizei umfunktioniert Sie haben die original Schaltzentrale, von der aus Befehle für Festnahmen und Deportationen nach ganz Westdeutschland und Holland gegeben wurden. Wir gaben ihnen eine Kopie unseres Films und sie behandelten uns wie echte VIPs.

Am zweiten Tag trafen wir Dieter Dzewas, den Bürgermeister von Lüdenscheid. Er schenkte uns eine Stunde seiner Zeit, inklusive eines Gesprächs mit Vertretern der beiden kokalen Tageszeitungen und einer eindrucksvollen Führung durch das Bürgerforum des Rathauses. Ein Foto von der Übergabe der DVD „Secret Courage“ an den Bürgermeister erschien am nächsten Tag in beiden Tageszeitungen. Ebenfalls bei dem Treffen waren Bärbel Dietrichs und Hella Goldbach, beide sind Aktivistinnen in Lüdenscheid und Hella ist Vositzende einer jüdisch-christlichen Gruppe, die Reisen nach Israel fördert (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, d. Red.). Matthias und Hella machten mit uns eine Führung durch Lüdenscheid inklusive des Hauses der Familie Süskind, welches noch existiert. Später gingen wir zu Hella nach Hause, wo sie uns fünf ein köstliches Mittagessen vorbereitet hatte. Später am Nachmittag hatten wir bei Matthias zu Hause Kaffee und Kuchen .. hierbei gab er uns Ausgaben seines Buches und eine Kopie des übersetzten Artikels. Außerdem bekamen wir Unterlagen von seinen sonstigen Forschungsarbeiten.

Am dritten Tag begleitete uns Matthias nach Gießen, wo Süskind den größten Teil seiner Kindheit verbrachte. Matthias hatte für uns ein Treffen mit Herrn Brake, dem Leiter des Stadtarchivs arrangiert. Wir konnten einige Dokumente über die Familie Süskind aus dem Archiv kopieren. Danach begleitete uns Herr Brake zum jüdischen Friedhof, wo der Grabstein der Familie Süskind (gezeigt in unserem Film) das Grab von Walters Vater kennzeichnet, der vor dem Krieg gestorben ist. Der Grabstein, der von Walters Pflegebruder Robert Salzberg aufgestellt wurde, zeigt ebenfalls die Namen von Walter und seiner nächsten Angehörigen mit deren Todesdatum in Auschwitz. Wir fragen uns oft, wie würde Walter über all dies denken? Und wir näherten uns der Grabstätte mit einem gewissen Gefühl, dass wir uns möglicherweise unerwünscht einmischen. Der ganze Tag war wolkig und regnerisch, doch als wir uns dem Grabstein näherten, öffnete sich der Himmel und die Sonne strömte herab. Nach einer gewissen Zeit der Besinnung, als wir weg gingen, verdeckten Wolken die Sonne und es begann erneut zu regnen. Tim und ich sind weder abergläubisch noch religiös, aber diesen Moment werden wir niemals vergessen.

Diesen Nachmittag reisten wir drei weiter zu Lida, der Nichte Walter Süskinds, die in der Nähe lebt. Dies war ein unvergesslicher Nachmittag für uns.

Wir verabschiedeten uns an diesem Nachmittag von Matthias am Gießener Bahnhof, da er nach Hause zurückkehrte und wir unsere Reise fortsetzten. Wir sind Matthias so dankbar für alles, was er für uns getan hat, und als Bonus haben wir nun auch „Familie“ in Lüdenscheid.

Walters Nichte Lida

Lida wurde in Amsterdam geboren, lebte aber die meiste Zeit ihres Lebens in Deutschland. Ihr Sohn entdeckte die Website über den Film, und durch ein Zusammentreffen ungewöhnlicher Umstände hatte sie Kontakt zu Matthias Wagner bekommen und fragte, ob es irgendwelche Informationen über „Secret Courage“ auf deutsch gebe. Matthias rief Lida an und sie lud uns ein, sie zu besuchen. Sie begrüßte uns mit Kaffee und Keksen und wir verbrachten zwei Stunden der Teilhabe an Familiengeschichten der Süskinds.

Lida war gerade sieben Jahre alt während des Krieges, aber sie sagt „Ich erinnere mich an Onkel Walter, ich erinnere mich an die große Zigarre.“ Sie erinnert sich auch daran, dass Walter ihren Vater Karl – Walters Bruder – von einem Transport in ein Arbeitslager runtergenommen hat. Da Karls Frau – Lidas Mutter – keine Jüdin war, war es Karl möglich, sich bis zum Kriegsende in seinem eigenen Haus zu verstecken. Lida erzählte uns, „Ich erinnere mich, dass mein Vater unter den Bodendielen des Amsterdamer Hauses versteckt war, während deutsche Stiefel darüber stampften.“

Lida gab ihrer Tochter den Namen Yvonne in Erinnerung an ihre Cousine, Walters Tochter, mit der sie während der Kriegsjahre in Amsterdam eng verbunden war. Es war faszinierend für uns zu hören, wie sie über „Onkel Walter und Tante Hanna“ sprach und die Familienbilder der Süskinds in ihrem Haus zu betrachten. Als wir sie verließen, sagte sie „Der Film ist gut und es ist gut dass sich Menschen auf so wundervolle Weise an ihn erinnern. Ich bin sehr stolz darauf, einen Onkel zu haben der eine solche Persönlichkeit ist und solch einen Film inspiriert hat.“

Eine abschließende Notiz über diesen Besuch:

Lida ist seit etwa einem Jahr Witwe. Gerade eine Woche vor unserem Besuch hatte sie entschieden, dass es ihrer Sicherheit zu Hause zuträglich wäre, wenn an der Haustür eine weitere Person genannt würde, die mit ihr lebt.

Nach etwas Nachdenken nahm sie einen „starken Namen“

Auf ihrem Türschild steht:

Lida ...
Walter Süskind

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